Corona und das Familienleben

 

 

An diesem Wochenende kam die Nachricht, dass alle Kindergärten und Schulen von Rheinland-Pfalz und in fast ganz Deutschland bis auf weiteres geschlossen bleiben und ich habe den Eindruck, dass die durch den Virus ausgelöste Dynamik damit ganz krass an Fahrt aufnimmt: Die Nachrichten in den sozialen Medien überschlagen sich, Supermärkte erreichen eine so hohe Menschendichte, dass sie vermutlich schon als Massenveranstaltung eingestuft werden müssten, draußen im Vorort herrscht teilweise eine Ruhe, wie ich sie sonst nur von Rosenmontag kenne, wenn alle in der Innenstadt sind.

Die Situation stellt uns alle vor sehr große Fragen und Herausforderungen – für jede Familie anders: Wie spreche ich mit meinen Kindern, so dass sie gefahrenbewusst handeln können, aber nicht in Panik verfallen? Wie wird diese Krise verlaufen und mit welchen Folgen für mich, meine Familie und unsere Gesellschaft? 

 

Wenn Sie selbstständig sind – so wie ich – wird das für Sie starke finanzielle Einbußen bedeuten und damit sind Sie nicht alleine. Einige Familien müssen sich noch in erhöhtem Maß um die Gesundheit und ja, auch um das Überleben einiger Ihrer Lieben sorgen. Ich denke das ganze Ausmaß ist noch gar nicht zu überblicken.

 

In diesem Newsletter möchte ich mich ein paar Aspekten widmen, die in meinen beruflichen Fokus fallen. Es geht also nicht um Gesundheitsaspekte, sondern um Themen des familiären Zusammenlebens und zwar solche, die ich in der nächsten Woche auf uns zukommen sehe. Vielleicht ist das in einigen Wochen schon nicht mehr passend – da bin ich gespannt.

 

Da dieser Text – wie Sie sich vielleicht denken können – relativ spontan entstanden ist, hat er nicht den Anspruch, dieses Feld umfassend zu erfassen sondern entspricht eher einem ersten Brainstorming. Wenn Sie trotzdem weiterlesen wollen, finden Sie hier meine 5 spontanen Ideen dazu, was Sie im Umgang mit dieser besonderen Situation tun können.



1. Erinnern Sie sich bewusst daran, dass dies eine extreme Notfall-Situation ist.

Der Stress steigt und Sie können das gar nicht verhindern. Darum suchen Sie nach allem, was dazu beitragen kann, Stress zu reduzieren. Setzen Sie Prioritäten und das bezieht sich auch auf die Erziehung. Welche Ansprüche können Sie reduzieren? Wo können Sie lockerer lassen – und wo auch nicht? Seien Sie großzügig mit Ihren Nächsten, aber auch mit sich selbst. Ein Beispiel: Ich schreibe diesen Newsletter, während meine Kinder einen total idiotischen Film schauen.


2. Sprechen Sie sich mit Ihrem (Ex-)Partner darüber ab, was Ihre größten Sorgen und Prioritäten für das Überstehen der nächsten Wochen sind.

Die Beziehung zwischen Eltern oder im engeren Familienkreis ist DIE Ressource für gegenseitige Unterstützung in Bezug auf die Kinder. Externe Unterstützung wird möglicherweise nicht mehr möglich sein. Wenn die Kommunikation schwierig ist, schreiben Sie die ihnen wichtigen Punkte zunächst auf. Notieren Sie auch, welche Unterstützung Sie sich wünschen würden. Dann tauschen Sie sich darüber aus. Haben Sie bei der Abstimmung darüber im Kopf, dass diese Notfallsituation und das, was jeden besonders sorgt und stresst, sehr unterschiedlich sein kann und ersparen Sie sich Diskussionen darüber, welche Sorgen „realistisch“ sind. Was können Sie sich vorstellen, um den anderen zu entlasten? Benennen Sie dies oder schreiben Sie es ebenfalls auf. Letztlich entscheidet der andere jedoch, was für ihn nützlich ist. Was ist möglich, um in dieser Extremsituation noch besser zusammenzuarbeiten als sonst?


3. Sprechen Sie auch gegenüber Ihren Kindern von Ihren eigenen Bedürfnissen.

Gewähren Sie Ihren Kindern Einblicke in das, was sie zur aktuellen Situation bewegt und auch darüber, was für Sie wichtig ist. Kinder haben ein feines Gespür dafür, wie es den Eltern geht und es ist schwierig für Sie, wenn sie das, was sie wahrnehmen, nicht einordnen können. Wenn Sie sprechen, hilft das beim Einordnen. Wenn Sie sich jedoch sehr überwältigt fühlen von Ängsten oder Sorgen, sprechen Sie vorher mit einem Erwachsenen, um sich einigermaßen zu beruhigen. 


4. Beziehen Sie die Kinder (altersentsprechend) in die Lösungssuche ein.

Auch Kinder können einen Beitrag leisten zur Bewältigung von Problemen, die durch die Notsituation entstehen. Die Erfahrung, durch eigenes Tun Schwierigkeiten zu überwinden, ist einer der größten Resilienz-Faktoren. Wir nennen das in der Pädagogik Selbstwirksamkeitsempfinden. Schaffen Sie dazu Möglichkeiten, indem Sie die Kinder in die Lösungssuche und -bewältigung einbeziehen. Sie vermitteln so auch: Du bist ein wichtiger Teil unserer Gemeinschaft. Was dabei möglich ist, hängt natürlich auch vom Alter Ihrer Kinder ab. Aber: Unterschätzen Sie ihre Kinder nicht! Ein Beispiel wäre auch, in Bezug auf das Lernen der Kinder eine Familienkonferenz zu machen und dort zu besprechen, wie das Lernen zu Hause laufen kann. Hier ist eine Beteiligung der Kinder und Jugendlichen besonders wichtig, da diese die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Regelungen auch als verbindlich erachtet werden.

Eine paar möglicher Weise hilfreiche Links für das Lernen zu Hause finden Sie hier


5. Sprechen Sie darüber, welche Infos und Ideen Ihre Kinder zu Corona schon haben und ermutigen Sie ihre Kinder explizit, Sie als Eltern anzusprechen, wenn sie sich Sorgen machen oder Fragen haben.

Viele Eltern fragen sich: Welche Infos soll ich meinen Kindern geben? Was ich für mindestens ebenso wichtig halte wie die Informationsvermittlung an die Kinder, was aber viele nicht auf dem Schirm haben ist, sich bei den Kindern zu erkundigen, welche Infos sie bereits haben und welche Fragen und Sorgen dazu entstanden sind. Interessieren Sie sich im Gespräch mit den Kindern als erstes dafür, was Sie bereits wissen. Sie haben ja schon unheimlich viel aufgeschnappt und werden das auch weiterhin tun. Das sind oft nur Bruchteile von Infos, die sie irgendwo aufgeschnappt haben und die dann in der Gedankenwelt der Kinder sozusagen ein Eigenleben führen. Diese „zusammengereimten Ergänzungen“ zu den aufgeschnappten Teil-Infos bleiben unhinterfragt stehen, denn das Kind hält sie ja für wahr. Ängste und Sorgen entstehen oder werden verstärkt. Oft können die Kinder diese Ängste und Sorgen nicht selbst formulieren. Ein Gespräch über die Infos, die die Kinder bereits haben, kann dies aufdecken. Vermeiden Sie aber eine Atmosphäre, in der die Kinder sich ausgefragt fühlen. Bleiben Sie bei einer interessierten und im positiven Sinne neugierigen Haltung. Nützlich ist auch, das Kind explizit darum zu bitten, Sie anzusprechen, wenn es etwas nicht versteht oder ihm etwas Sorgen bereitet. Erwarten Sie jedoch keine direkte Reaktion. Es ist schon alles erreicht, wenn das Kind dieses Angebot hört. Wann es dann darauf zurückkommt, kann und wird es selbst entscheiden.


Liebe LeserInnen,

 

dies waren also meine ersten 5 Ideen. Ich hoffe, dass etwas Nützliches für Sie dabei war. Wenn dem so ist, leiten Sie diesen Newsletter gerne an Freunde, Bekannte, Verwandte weiter. Ich würde mich freuen. Wenn Sie den Familien-Ban.de-Newsletter regelmäßig (ca. 2-4 mal im Jahr) erhalten wollen, können Sie ich hier anmelden. 

 

Ich wünsche Ihnen und allen Ihren Lieben gute Abwehrkräfte und robuste Nerven für die nächsten Wochen. Allen Entscheidungsträgern, die derzeit konsequent auch möglicherweise unpopuläre Entscheidungen treffen, möchte ich danken. Wenn die ganze Sache gesamtgesellschaftlich relativ glimpflich verlaufen sollte, wird sie das getan haben, eben WEIL konsequent gehandelt wurde. #flattenthecurve, für unsere Alten und Kranken.

Familien, die ich berate, die aber in der nächsten Zeit keine Termine bei mir in der Praxis wahrnehmen können oder möchten, biete ich an, in diesen Krisenzeiten auch eine telefonische Beratung bei mir in Anspruch zu nehmen, wenn ihnen das hilfreich erscheint. Bitte melden Sie sich bei mir, um einen Termin zu vereinbaren. Auch Termine in der Praxis finden von meiner Seite aus statt, sofern die allgemeine Lage es noch zulässt und Sie das möchten. Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen bespreche ich mit Ihnen im Einzelnen.